Genehmigungsstau bei Windenergieprojekten in Mecklenburg-Vorpommern
„Die Bedeutung der Windenergie und der Ausbau Erneuerbarer Energien insgesamt ist heute dringlicher und wichtiger denn je“, sagte Wirtschafts- und Klimaminister Robert Habeck bei der Eröffnung der Weltleitmesse WindEnergy in Hamburg, auf der bis zum 30. September rund 1400 Unternehmen aus 37 Ländern Neuerungen und Lösungen zur Windenergie präsentieren. Eine beschleunigte Energiewende sei „das A und O für eine sichere und nachhaltige Energieversorgung“ und er fügte hinzu „Macht Euren Job, Bundesländer!“
Laut Habeck könnten die Bundesländer nicht so weitermachen wie bisher, das sei nicht akzeptabel. 10.000 MW stehen in Deutschland aktuell im Verfahren und sollten bis zum Ende des Jahres eine Genehmigung erhalten. Es bedarf eines Endjahressprint in den Behörden, damit die Ausschreibungen bedient und die Ausbauziele erreicht werden. Dieses wichtige Signal vom Bund muss nun in Mecklenburg-Vorpommern ankommen und umgesetzt werden.
Aktuell laufen beispielsweise 136 von 190 Genehmigungsverfahren für Windenergieprojekte (WEA) länger als zwei Jahre, obwohl ein Verfahren entsprechend gesetzlicher Vorgaben unterhalb von einem Jahr durch die verfahrensführende Behörde beschieden werden soll/muss (einfaches Verfahren innerhalb von 3 Monaten sowie förmliches Verfahren innerhalb von 7 Monaten). Auf Basis der Datentabelle aus der Kleinen Anfrage 8/445 dauern Genehmigungsverfahren im Durchschnitt aktuell etwa 37,95 Monaten (3 Jahre und 2 Monate).
Aus der Graphik kann u. a. auch eine unterschiedliche Arbeitsbelastung sowie Arbeitsweise in den vier Staatlichen Ämtern für Landwirtschaft und Umwelt im Mecklenburg-Vorpommern abgeleitet werden.
Warum haben wir die Situation in Mecklenburg-Vorpommern? Wie können Lösungen für die aktuellen Herausforderungen aussehen?
Personalausstattung in den zuständigen Behörden und Ämtern
Ein messbarer und maßgeblicher Faktor zur notwendigen Beschleunigung der schleppenden Verfahrensdauern bei Genehmigungen nach BImSchG ist eine sachgerechte Personalausstattung in den Staatlichen Ämtern für Landwirtschaft und Umwelt (StALU). Tatsächlich ist die personelle Ausstattung zum Teil desolat. Die eigentliche Aufgabe der Genehmigungsbehörden, die komplexen Verfahren nach BImSchG mit vielen beteiligten Fachbehörden und der beteiligten Öffentlichkeit (bei förmlichen Verfahren) zu koordinieren und die Stellungnahmen fristgerecht einzuholen, ist ansonsten nicht zu erfüllen. Dabei sollte eine sachgerechte Personalausstattung bedarfsgerichtet, also ausgerichtet am Potenzial der Flächenausweisungen und damit an möglichen Antragstellungen, erfolgen. Mit den definierten Bundesvorgaben von 2,1% Fläche für die Windenergie an Land in Mecklenburg-Vorpommern, ist mit einem weiteren Anstieg an Genehmigungsverfahren zu rechnen. Die StALU´s müssen folglich auch im Rahmen einer Gesamtstrategie für Mecklenburg-Vorpommern aufgebaut und fachlich befähigt werden. Aktuell drastisch verzögerte Verfahren, durch personelle Engpässe in den Genehmigungsbehörden, ließen sich durch den Einsatz von externen Projektmanagern (im rechtlichen Sinne als Verwaltungshelfer, § 2 Abs. 2 Nr. 5 der 9. BImSchV) abmildern. Hiervon wird bislang kein, beziehungsweise zu wenig Gebrauch gemacht.
Verantwortung für die Verfahren und deren zügige Abarbeitung inkl. Herbeiführung von Entscheidungen tragen die StALU´s müssen ihre Aufgabe wahrnehmen und Verantwortung übernehmen (die StALU´s sind die verfahrensführende Behörde. Die StALUs tragen die )
Die Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter in den Genehmigungsbehörden benötigen ausreichend fachliche Schulungen nach Inkrafttreten von Rechtsänderungen und unverzügliche Handlungsanweisungen zur Umsetzung dieser, als Legitimation notwendiger Entscheidungen in den Verfahren. Hier ist insbesondere die Fach- und Rechtsaufsicht angesprochen, siehe am Beispiel § 10 Abs. 5 S. 3 BImSchG, wonach auf Antrag des Vorhabenträgers Stellungnahmen zu ersetzen sind, die nicht innerhalb eines Monats fristgerecht eingehen. Durch fehlende Entscheidungen der StALU´s kommt es aktuell dazu, dass trotz vorliegender Entscheidungsreife keine Genehmigungen erteilt werden (siehe Beispielprojekte oben). Wie bereits erwähnt, konstituiert das BImSchG einen Anspruch auf Erteilung der Genehmigung, soweit und sobald die Genehmigungsvoraussetzungen vorliegen. Die StALU´s müssen zeitnah dazu ermächtigt und befähigt werden,vorhandene gesetzliche Regelungen konsequent anzuwenden. Dem gesetzlich verankerten Anspruch auf eine Genehmigungserteilung, im Rahmen eines einfachen Verfahrens von 3 Monaten (nach Vollständigkeit der Antragsunterlagen) und im Rahmen eines förmlichen Verfahrens innerhalb von 7 Monaten (nach Vollständigkeit der Antragsunterlagen), ist durch die Genehmigungsbehörden konsequent Rechnung zu tragen. Der Gesetzgeber hat hierfür die Voraussetzungen geschaffen. Bei ausbleibenden Stellungnahmen der Fachbehörden innerhalb deren vorgesehener Frist (in der Regel eine Monatsfrist) haben die StALU´s nicht nur die Möglichkeit, diese in einem kurzen Zeitraum zügig zu ersetzen, sondern sie haben auch die Pflicht (neu eingeführte Rechtsgrundlage § 10 Abs. 5 S. 3 BImSchG des Bundesgesetzgebers). Der Gesetzgeber hat den Behörden hierbei keinen eigenen Ermessensspielraum eingeräumt. Es handelt sich um eine sogenannte „gebundene Entscheidung“, die Stellungnahme „ist“ zu ersetzen.
§ 2 EEG – Die besondere Bedeutung der Erneuerbaren Energien ist noch nicht bei den Mitarbeitenden in den Behörden und Ämtern in Mecklenburg-Vorpommern angekommen
Jeglicher Austausch zwischen Unternehmen und Behörden/Ämtern zu Lösungsmöglichkeiten bezüglich der Beschleunigung von Genehmigungsverfahren blieb bislang erfolglos. Wir können in diesem Zusammenhang nur erneut auf den neuen § 2 EEG und dem ausdrücklich benannten überragenden öffentlichen Interesse der Erneuerbaren Energien, zur Sicherstellung der Energieversorgung und damit den Schutz der öffentlichen Sicherheit gewährleistend, hinweisen. Nach unserer Einschätzung ist die Änderung des § 2 EEG ein essentieller Schritt von erheblicher Tragweite. Der § 2 EEG stellt eine grundlegende, gesetzgeberische Wertentscheidung zur Priorisierung, beziehungsweise besseren Durchsetzungsfähigkeit der Belange des Ausbaus der Erneuerbaren Energien (Klimaschutz), gegenüber anderen Belangen (insbesondere z. B. im Naturschutzrecht oder Denkmalschutz in M-V), dar. Erste Analysen in der juristischen Fachliteratur sprechen hinsichtlich der Einführung des § 2 EEG bereits von einem „Wendepunkt der Klimapolitik“, siehe Bader/ Deißler/ Weinke, Zeitschrift für Neues Energierecht – ZNER – 4/22, S. 337 ff.. Konkret bedeutet dies, dass im Rahmen der Beurteilung oder Abwägung von Erneuerbaren-Energien-Anlagen, von einer grundsätzlichen Genehmigungs- und Realisierungsfähigkeit ausgegangen werden darf. Im Zweifel ist eine Entscheidung zugunsten der Erneuerbaren Energien zu treffen und entgegenstehende Belange können nur in Ausnahmefällen überwiegen. Im Falle einer gegenteiligen Entscheidung unterliegt die Behörde hier einer besonderen Begründungsflicht. Die unmittelbare Anwendbarkeit des § 2 EEG ist nach unserer Praxiserfahrung insbesondere im Baurecht, Denkmalschutzrecht, Immissionsschutzrecht, Naturschutzrecht, Straßenrecht, Waldrecht sowie im Wasserrecht eröffnet. Nicht zuletzt können im Zusammenhang mit den in diesen Fachgesetzen genannten Abwägungsentscheidungen die Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger in den Behörden Mecklenburg-Vorpommerns zukünftig unmittelbar auf den klaren Wortlaut des § 2 EEG Bezug nehmen, vgl. auch hierzu Bader, et. al, a.a.O., 347.Folglich ist es essentiell, dass die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Behörden und Ämtern des Landes (insbesondere beim LAKD, den uNBs und den StALUs) zu dieser Thematik nochmals sehr zeitnah mitgenommen werden.
Je nach Bundesland können Genehmigungsverfahren für Windenergieanlagen bis zu 39 Monate dauern, wie die Fachagentur Windenergie an Land mitteilt und widerspricht damit öffentlichen Zahlen der jeweiligen Behörden.