Wind ist in Norddeutschland im Überfluss vorhanden. Windkraftanlagen stehen aber still, wenn das Stromnetz keine weiteren Mengen aufnehmen kann. Um zu diesen Zeiten mehr erneuerbare Energie einzuspeisen, müssten fossile Kraftwerke gedrosselt werden. Bei Anlagen, die kombiniert Strom und Wärme produzieren, ist das bisher nur sehr eingeschränkt möglich. Wärmespeicher können die Situation verbessern.
Der Landesverband Erneuerbare Energien Mecklenburg-Vorpommern (LEE MV) hat im Rahmen des öffentlich geförderten Vorhabens „Klimaschutz durch Wärmewende und Sektorenkopplung“ untersuchen lassen, wie Wärmespeicher mehr Flexibilität ins Gesamtsystem bringen können. Die beauftragten Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (Fraunhofer IEE) und der Stiftung Umweltenergierecht sind zu den Ergebnissen gekommen, dass zusätzliche Wärmespeicher wirtschaftlich betrieben werden können und eine Verpflichtung im Sinne des Klimaschutzes verfassungsrechtlich möglich ist.
„Die Erneuerbaren sind das zentrale Klimaschutzprojekt. Mit steigendem Anteil der Stromerzeugung aus Sonne und Wind, muss sich das Energiesystem immer stärker an wetterbedingte Schwankungen anpassen. Erzeugungsanlagen, die bisher vor allem auf gleichmäßigen Betrieb ausgelegt waren, sind herausgefordert, bestehende Konzepte zu überprüfen“, so Johann-Georg Jaeger, Vorstandsvorsitzender LEE MV.
Besonders groß ist der Bedarf nach einer flexibleren Fahrweise bei der Produktion von Fernwärme. Fernwärme wird in Deutschland überwiegend durch Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) erzeugt. Die gemeinsame Produktion von Strom und Wärme ist effizienter als eine getrennte Erzeugung. Der Betrieb einiger Anlagen richtet sich aber nach dem Wärmebedarf und so speisen diese Anlagen unter Umständen auch bei negativen Strompreisen ins Netz ein.
Flexibilität von KWK-Anlagen steigt mit Wärmespeichern
Die Erweiterung solcher KWK-Anlagen um einen großen Wärmespeicher kann für mehr Flexibilität bei der Wärmeversorgung sorgen. Damit werden diese KWK-Anlagen in die Lage versetzt, bei hoher Verfügbarkeit von Erneuerbaren ihren Betrieb und die Stromerzeugung zu drosseln und ihre Fernwärmekunden vorübergehend aus dem Speicher zu beliefern. Dies ermöglicht eine zeitliche Verschiebung von Strom- und Wärmeerzeugung und spart Brennstoffe.
„Das Gesamtsystem muss flexibel auf die wetterabhängige Einspeisung von Photovoltaik und Windkraftanlagen reagieren. In Zeiten von Stromüberschüssen aus erneuerbaren Energien sollten konventionelle Kraftwerke ihre Produktion drosseln. KWK-Anlagen, die für die Wärmeversorgung zuständig sind, brauchen dazu einen Wärmespeicher, um eine kontinuierliche Versorgung mit Wärme trotz stärkerer Wärmeproduktionsschwankungen zu garantieren“, erläutert Jaeger.
Das Fraunhofer IEE hat die Wirtschaftlichkeit eines Wärmespeichers für die kommenden Jahre anhand der Daten für Mecklenburg-Vorpommern modelliert. Das Netzgebiet des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz Transmission integriert heute schon einen sehr hohen Anteil fluktuierender Einspeisung und kann mit der künftigen Situation im gesamten Bundesgebiet verglichen werden. Gerechnet wurden der wärmegeführte Betrieb von KWK-Anlagen und die Nutzung von Wärmespeichern im Referenzjahr 2020 und im Zieljahr 2030.
In den modellierten Szenarien für 2030 ist von einer Abregelung im Netzgebiet von 50Hertz Transmission pro Jahr von 28 Milliarden kWh auszugehen. Mit einer Zwischenspeicherung von Wärme könnten KWK-Anlagen zeitweise ihre Produktion zurückfahren, so dass etwa 16 Prozent davon oder 4500 Milliarden kWh mehr Windstrom pro Jahr eingespeist werden können. Da die KWK-Anlage die Produktionsspitzen in windschwache Zeiten verschiebt, amortisiert sich die Investition in den Wärmespeicher je nach angenommener Größe des Wärmeversorgungsgebietes und des Speichers in einem Korridor von etwa sechs bis neun Jahren.
Außerdem wurde untersucht, welche Größe für einen Wärmespeicher optimal wäre. Dabei wurden jeweils Tagespeicher und Wochenspeicher für kleinere Versorgungsgebiete mit einer Wärmeerzeugerleistung von etwa 9 MW und für größere Gebiete mit einer Wärmeerzeugerleistung von etwa 330 MW modelliert.Im Ergebnis zeigte sich, dass sich eine Investition in einen Wochenspeicher für eine kleine Großstadt wie Schwerin innerhalb von etwa neun Jahren amortisiert. Ein Tagesspeicher kann sich für die Versorgung eines Quartiers innerhalb von etwa sieben bis acht Jahren rentieren.
„Wärmespeicher bringen mehr Flexibilität in das Stromsystem. Zudem rechnen sie sich für die Betreiber auch betriebswirtschaftlich. Das gilt sowohl für die Versorgung einzelner Quartiere wie auch für ganze Städte“, fasst Dietrich Schmidt, Projektleiter, Fraunhofer IEE, die Ergebnisse der Modellierung zusammen. Das Konzept lässt sich zudem dahingehend weiterentwickeln, dass zusätzliche Power-to-Heat-Anlagen überschüssigen Windstrom in Wärme umwandeln und einspeichern.
Gesetzliche Pflicht zur Nachrüstung mit Wärmespeichern rechtlich zulässig
Nach dem Kraft-Wärme-Kopplungsgesetz (KWKG) werden Wärmespeicher bereits gefördert. Ein Investitionsschub ist bisher ausgeblieben, könnte aber über eine gesetzliche Vorschrift ausgelöst werden. „Der flexible Betrieb von KWK-Anlagen macht das Netz frei für erneuerbare Energien und ermöglicht den Betreibern, sich stärker nach Marktpreisen zu richten. Es ist höchste Zeit, dass Wärmespeicher ein selbstverständlicher Bestandteil unseres Energiesystems werden. Dass Wärmespeicher einen Betrag zum Klimaschutz leisten, haben die Forschungsergebnisse von Fraunhofer IEE gezeigt. Dazu brauchen wir eine klare gesetzliche Regelung,“ fordert Jaeger.
In einem Rechtsgutachten hat die Stiftung Umweltenergierecht einen Formulierungsvorschlag für eine gesetzliche Wärmespeicherpflicht vorgelegt und diesen Vorschlag auf seine Vereinbarkeit mit dem Verfassungsrecht hin überprüft. Mit dem Vorschlag leistet der LEE MV einen konstruktiven Beitrag zur laufenden Debatte um mehr Flexibilität im Energiesystem. Eine Umsetzung könnte im Rahmen der nächsten Novellierung des EnWG oder KWKG erfolgen.
Konkret sieht der Formulierungsvorschlag die Einführung eines zusätzlichen Paragrafen im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) oder im spezielleren KWKG vor. Adressiert werden größere Anlagenbetreiber, die Kunden mit Wärme versorgen und im vergangenen Jahr trotz negativer Preise Strom ins Netz eingespeist haben.
Eine Pflicht zum Betrieb eines Wärmespeichers ist mit dem Grundgesetz vereinbar: Die Einschränkung von verschiedenen Grundrechten des Betreibers wird durch das übergeordnete Ziel des Klimaschutzes gerechtfertigt. Untersucht wurden dazu die einschlägigen Vorschriften der Berufsfreiheit, der Eigentumsgarantie, des Vertrauensschutzes und des Gleichheitsgrundsatzes.
„Eine Erfordernis für eine Pflicht zum Betrieb eines Wärmespeichers ergibt sich insbesondere dadurch, dass die bisherigen rein ökonomischen Anreize zu wenig Wirkung entfalten“, erläutert Oliver Antoni, Projektleiter, Stiftung Umweltenergierecht. Die Vorschrift soll nur für größere Kraftwerke gelten, da bei kleineren Anlagen die Wirkungen für das Gesamtsystem gering sind. In Anbetracht der kurzen Amortisierungszeiten von sechs bis neun Jahren wäre eine solche Wärmespeicher-Pflicht verfassungsrechtlich vertretbar.
Der Gesetzesvorschlag berücksichtigt auch individuelle Unterschiede der Anlagentypen. Daher werden Anlagen von der Regelung ausgenommen, die Systemdienstleistungen für das Stromnetz erbringen, kleiner als 500 kW sind, oder innerhalb von 5 Jahren auf erneuerbare Energien umgestellt werden. Eine Befreiung von der Investitionsflicht soll zudem möglich sein, wenn die räumlichen Verhältnisse dies nicht erlauben oder ein Wärmespeicher bereits vorhanden ist. Bei einem Fernwärmenetz mit mehreren KWK-Anlagen können diese gemeinsam den Verpflichtungen nachkommen. Wenn Eigentümer und Betreiber einer Anlage nicht identisch sind, hat der Eigentümer den Bau eines Wärmespeichers zu dulden.
Studien:
Fotos Erneuerbare Energien MV/ Wärmespeicher: https://www.lee-mv.de/2022/12/08/pressefotos-erneuerbare-energien-mecklenburg-vorpommern/